Erste Ansätze eines "critical turn" in der Philosophie der Emotionen erkennen an, dass die Untersuchung von Emotionen als soziokulturell verortete und relevante Phänomene es ermöglicht, sowohl die betreffenden Emotionen selbst als auch ihre soziopolitischen Implikationen zu thematisieren und zu reflektieren. Obwohl der Begriff "kritisch" in der Emotionstheorie gelegentlich erwähnt wurde, bleibt die Frage offen, was eine kritische Untersuchung von Emotionen genau beinhaltet und welche Konsequenzen sie nach sich zieht. Unser Forschungsnetzwerk zielt darauf ab, diese kritische Wende zu schärfen und zu festigen, indem es die Erkenntnisse der kritischen Erkenntnistheorie (insbesondere der feministischen Standpunkttheorie), der kritischen Phänomenologie und der kritischen Sozialtheorie in ein Verständnis von Emotionen integriert, das von konstruktivistischen und situierten Ansätzen geprägt ist. Unser Hauptziel besteht darin, die Frage zu beantworten, wie eine genuin kritische Emotionstheorie (CET) aussehen könnte, indem wir verschiedene Dimensionen der kritischen Untersuchung von Emotionen unterscheiden und analysieren. Unsere Hypothese lautet, dass eine CET (mindestens) drei zentrale Aufgaben erfüllen muss: 1) den historischen und soziokulturellen Kontext, in dem Emotionen sich entfalten und in dem Emotionstheorie entwickelt wird, explizit machen und reflektieren; 2) die normativen Vorannahmen und Implikationen der Theoretisierung und Auseinandersetzung mit Emotionen kritisch untersuchen und hinterfragen; 3) die sozialen, ethischen und politischen Konsequenzen von Emotionen, die Realitäten, die sie erzeugen, und die Auseinandersetzungen um diese, einschließlich möglicher Schäden und Auswirkungen, untersuchen und bewerten. Durch die Bearbeitung dieser Aufgaben soll unser Forschungsnetzwerk einen Beitrag zur Entwicklung einer kritischen Emotionstheorie leisten, die der Komplexität und Vielschichtigkeit von Emotionen in ihrem soziokulturellen Kontext Rechnung trägt.